Christian Herrmann
Am 13./14.9.2002 traf sich die Facharbeitsgruppe Systematische Theologie im Theologischen Seminar der Methodisten in Reutlingen. Mit elf, z. T. aus größerer Entfernung angereisten Teilnehmern war die Tagung relativ gut besucht. Das mag daran liegen, dass das Projekt des geplanten Themenbuches konkretere Züge annimmt und inhaltliche sowie methodische Verbesserungsvorschläge eingebracht werden konnten.
Pfr. Dieter Schneider, Barntrup, stellte ein Thesenpapier zur Erfahrung des Heiligen Geistes vor, das als erster Schritt zur inhaltlichen Ausgestaltung eines Abschnitts des Themenbuches gedacht war. Schneiders Anliegen ist es, dass der Heilige Geist nicht nur als instrumental, sondern personal begegnend wahrgenommen wird (objektiv; gegen die Erlanger Erfahrungstheologie, in der ein subjektiver Ansatz vorliege). Zwar stehe bei Calvin der Geist mit dem Wort in Beziehung, sei aber nicht verwortet. Man darf demnach keine Reduktion auf das Wort betreiben, sondern muss zur Kenntnis nehmen, dass Menschen aufgrund von Heilungserfahrungen zum Glauben kommen. Es gibt prärationale Dimensionen: ein Gottesdienstbesucher versteht zwar nicht, was der Prediger sagt, fühlt aber, dass er Zutreffendes sagt und hier etwas geschieht; das reizt dann dazu, sich dem Wort Gottes näher zuzuwenden. Das Erfahrungsdefizit der Universitätstheologie sollte überwunden werden. Es geht darum, nicht nur über Theologie zu reden, nachzudenken, sondern Theologie zu leben, selber Theologie zu sein. Die Gemeinde sollte eine Lebensgemeinschaft, nicht nur ein Auditorium sein.
In der Diskussion wurde deutlich, dass man wohl nicht nicht Erfahrung machen kann. Man kann induktiv vorgehen und Menschen auf Erfahrungen ansprechen. Allerdings ist es die Frage, ob Erfahrung wirklich konstitutiv ist und nicht vielmehr nur die Umstände eines Weges beschreibt. Die Erfahrung ist der Schaum auf dem Bier; sie gehört dazu, ist aber nicht das Eigentliche. Eine abstrakte Worttheologie ist zwar verfehlt: so gehören bei Luther stets Wort und Geist bzw. Wort und Glaube zusammen und die Erfahrung der Gültigkeit der Sündenvergebung pro me ist zentral. Aber es müssen die Kriterien benannt werden, nach denen in der Vielzahl möglicher, oft empirisch identischer Erfahrungen zwischen wahren, d.h. von Gott her stammenden, und falschen unterschieden werden kann. Hier liegt das Problem einer den Heiligen Geist unabhängig oder auch nur vorgängig zum Wort erfahrbar denkenden Theologie. Auch muss wohl die Personalität Gottes als Trinität im Gegenüber zu einer reinen Kraftwirkung stärker betont werden.
In einem weiteren Vortrag wurde der schon vollständig ausformulierte Beitrag Dr. Christian Herrmanns zur Frage der individuellen Eschatologie vorgestellt. Anhand dieses Textes konnte die grundsätzliche Methodendiskussion präzisiert werden. Als didaktisches Problem stellte sich die Frage, ob man eher von bestimmten, dann auch abzudruckenden Grundtexten (Apostolikum, Vaterunser, Katechismustexte, Kirchenlieder u. ä.) ausgehen sollte und man dabei inhaltliche Überschneidungen in Kauf zu nehmen hat, oder ob man eine inhaltliche Systematik zugrundelegen sollte. Wichtig ist die Zuspitzung auf eine besondere Erfahrungssituation (Sterbestunde, persönliche Heilsgewissheit) und der praktische Bezug (seelsorgliche Begleitung Sterbender). Der Akzent sollte mehr auf dem Zuspruch der Rettung aus dem Gericht als auf Erwägungen über die Details und Zuordnungen des doppelten Ausgangs liegen, obwohl dieser angesprochen werden muss. Diskussionsbedarf entwickelte sich an der Frage, inwieweit der Tod ausschließlich von der Sünde her abzuleiten ist. Nach Röm. 5,12ff. und 6,23 legen sich Tod und Sünde wechselseitig aus. Andererseits könnte die Tatsache, dass der Mensch erst durch das Essen vom Baum des Lebens Unsterblichkeit erlangt hätte (Gen. 2,9), darauf schließen lassen, dass das leibliche Sterben als Korrelat zum leiblichen Werden schon von Anfang an vorgesehen war. Die Ganztodtheorie müsste noch ausführlicher behandelt werden: sie enthält als Wahrheitskern die Gewissheit, dass die Kontinuität und das Heil in Gott liegt. Andererseits sollte man sich davor hüten, Gott dadurch groß zu machen, dass man den Menschen klein macht. Man kann auch angesichts der Größe des Menschen (Gottesebenbildlichkeit) auf die Größe Gottes zu sprechen kommen. Themen wie der Zwischenzustand, der Seelenschlaf, das Fegefeuer und der limbus infantium müssen noch eingearbeitet werden, weil sie in der Gemeindearbeit auftauchen.
Das geplante Buchprojekt kann nicht formal völlig konsistent gestaltet werden und auch nicht sämtliche Themen in erschöpfender Weise und konsequenter Systematik ansprechen. Es sollen ausgeführte Abhandlungen geboten werden, nicht nur dürre Thesen und Arbeitsanweisungen. Daher ist die Bezeichnung Arbeitsbuch ebenso unangemessen wie diejenige als Lehrbuch. Themenbuch deutet dagegen an, dass eine Reihe von Themen zu wichtigen Bereichen besprochen wird, wobei Akzente in Umfang und Auswahl auf dem evangelikalen Profil sowie in der Durchgestaltung unter dem Erfahrungsaspekt liegen sollen. Formal sollten nicht zu viele Fußnoten begegnen, Zitate ausgeschrieben werden, Grundtexte zitiert und zugrundegelegt werden. Das Gesamtwerk ist auf drei Bände angelegt. Querverweise zwischen den Aufsätzen sollen die Bearbeitung erleichtern. Die inhaltliche Ausrichtung ist nicht völlig zu vereinheitlichen; allerdings sollten Korrekturvorschläge der anderen Mitarbeiter berücksichtigt werden. Bei ausgesprochenen Streitthemen empfiehlt sich die Behandlung durch zwei bzw. drei Autoren. Teilweise werden diese auch in Exkursen angesprochen. Eine Formatierung in Eigenregie zur Kostenersparnis wird angestrebt. Der erste Band sollte bis zum Frühjahr 2004 fertiggestellt werden.
Das nächste Treffen der Facharbeitsgruppe soll am 31.1./1.2.2003 im Theologischen Seminar Tabor in Marburg stattfinden, das übernächste im Rahmen der Studienkonferenz in Bad Blankenburg vom 14.17.9.2003.
aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen - ETM 8/2 (2002) Herausgeber: AfeT - Arbeitskreis für evangelikale Theologie |
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14.05.2003 |