Armin D. Baum
Das diesjährige Treffen der Facharbeitsgruppe Neues Testament (FAGNT) am 24. und 25. März 2003 wurde mit einem Referat von Revd Prof. Carsten Peter Thiede zum Thema „Emmaus – die Frage der Lokalität und die Ausgrabungen in Moza-Colonia“ eröffnet. Thiede berichtete über eigene Ausgrabungen in Moza und erläuterte, aus welchen Gründen er nicht das von einer Reihe anderer Forscher favorisierte Nikopolis, sondern Moza-Colonia mit dem biblischen Emmaus (Lk 24) identifiziert. In dieser Frage werden innerhalb des AfeT bekanntlich unterschiedliche Positionen vertreten.
Am Montagabend referierte als Gastredner Prof. Dr. Hans-Joachim Eckstein von der Tübinger Universität anhand des Matthäusevangeliums zum Thema „Die Weisung Jesu Christi und das Gesetz des Mose“. Er sprach sich dafür aus, das Evangelium als kritische Erfüllung des alten Bundes zu begreifen. Jesus habe das Gesetz in Richtung Barmherzigkeit gebrochen. Nicht die Lehre von der Rechtfertigung oder Erlösung, sondern Jesus als Person sei die Mitte der Schrift. Die anschließende Diskussion drehte sich u. a. um die Frage, ob bzw. wie anhand eines solchen Kriteriums konkrete Entscheidungen in ethischen Streitfragen begründet werden können.
Den Dienstag eröffnete Pfr. Volker Gäckle (ABH) mit einem Thema, auf das er im Zuge der Arbeit an seiner Dissertation gestoßen war: „Das Aposteldekret im Licht von 1Kor 8–10 und Röm 14–15“. Warum spielte das Aposteldekret in der Argumentation des Paulus keine Rolle? Andererseits haben die von Paulus aufgestellten Regeln zum Umgang mit Götzenopferfleisch in der alten Kirche nur eine geringe Resonanz gefunden. Das Verhältnis von 1Kor 8–10 zu Act 15 wurde im frühen Christentum nicht diskutiert. Durch diese Problemanzeige wurden die Teilnehmer zum weiteren Nachdenken über eine Reihe offener Fragen herausgefordert.
Dr. Christoph Stenschke, Dozent am Missionshaus-Bibelschule Wiedenest trug die Ergebnisse eines kleinen Forschungsprojekts zum Thema „Heidnische Religiosität in Palästina und im Neuen Testament“ vor. In neutestamentlicher Zeit war das jüdische Kernland von heidnischen Gebieten umgeben und von hellenisierten Städten durchzogen. Daher erstaunt es nicht, dass sich Hinweise auf heidnische Religiosität bis in die Bergpredigt („nicht plappern wie die Heiden“) nachweisen lassen. Dadurch war die Urgemeinde auf einige Herausforderungen der Heidenmission durchaus schon vorbereitet.
Dr. Armin Baum (FTA) sprach zum Abschluss über „Poesie und Gedächtnis in den synoptischen Evangelien“. In der neutestamentlichen Wissenschaft hat man seit längerem erkannt, dass über die Hälfte der synoptischen Reden Jesu poetisch geformt ist und daher besonders gut dem Gedächtnis eingeprägt werden kann. Anhand dieses Befundes lässt sich aufgrund einiger Ergebnisse der experimentellen Gedächtnispsychologie zeigen, warum sich der Wortlaut eines durch Versmaß, Parallelismus oder Reim regulierten Textes besonders leicht auswendig lernen lässt.
Vor einiger Zeit hat die neutestamentliche Facharbeitsgruppe unter Federführung von Eckhard Schnabel und Heinz-Werner Neudorfer ein zweibändiges Methodenbuch herausgegeben. Auf der diesjährigen Tagung wurde durch Christoph Stenschke angeregt, ein englischsprachiges Lehrbuch zur neutestamentlichen Umwelt ins Deutsche zu übersetzen und eventuell zu überarbeiten. Die Sondierungs- und Planungsphase ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Außerdem traf der Vorschlag auf allgemeine Zustimmung, die Treffen der neutestamentlichen Facharbeitsgruppe in Zukunft nicht mehr halbjährlich, sondern nur noch einmal pro Jahr durchzuführen. Und für das nächste Treffen am 15. und 16. März 2004 in Marburg (Theologisches Seminar Tabor) soll umfassender eingeladen werden als bisher. Wir hoffen, dass sich in Zukunft noch mehr evangelikale Kollegen zur persönlichen Begegnung einladen und zum fachlichen Austausch über das Neue Testament herausfordern lassen.
aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen – ETM 9/1 (2003) Herausgeber: AfeT – Arbeitskreis für evangelikale Theologie |
|
06.06.2003 |