Helgo Lindner
Der akademische Lehrer Otto Michel war neutestamentlicher Exeget. Seine Arbeit an den biblischen Texten ist insbesondere durch das Eingehen auf das Judentum gekennzeichnet, so daß das von ihm 1975 begründete Institutum Judaicum als Ausdruck einer Gesamtkonzeption anzusehen ist. Weite Verbreitung haben seine Kommentare zum Hebräerbrief und zum Römerbrief gefunden, in der internationalen Forschung ist die Neuausgabe von Flavius Josephus, Der Jüdische Krieg, besonders beachtet worden. Neben dem Wirken an der Universität steht Michels jahrzehntelanger Einsatz für eine biblisch gebundene Theologie auf „Ferienseminaren“ (des PGB u.a.) und seine Begleitung als Seelsorger verschiedener Werke, vor allem der Studentenmission (SMD). Auch innerhalb des AfeT hat er auf mehreren Tagungen mitgewirkt.
Michels Ringen um eine rechte Beurteilung des Bultmannschen Entmythologisierungsprogramms sowie dessen entschiedene Ablehnung haben ihn zu Anfang der 50er Jahre in eine Außenseiterposition innerhalb der Tübinger Fakultät gebracht. Nachträglich erweist sich Michels Antwort jedoch als sachgemäß, und ihre hermeneutische Grundlegung mit dem Ernstnehmen der antiken Denk- und Redeformen bleibt über die damalige Kontroverse hinaus aktuell.
Klaus Haacker hat 1986 eine Sammlung wichtiger Aufsätze Michels herausgegeben („Otto Michel, Dienst am Wort“ 288 S., Neukirchener Verlag), und eine Reihe biblischer Betrachtungen („Aufsehen auf Jesus) erschien 1968, später (5.A. 1996) im Brunnen-Verlag.
Im Gedenkjahr 2003 erschienen ein weiteres Andachtsbuch mit Michel-Texten, herausgegeben von der SMD (H.A. Eickel und F.Gutsche) „Anfechtungen aushalten – Profil gewinnen“), sowie ein Gedenkband mit Beiträgen zu seiner Biografie und Theologie („Ich bin ein Hebräer“, hg. von Helgo Lindner, ebenfalls im Brunnen-Verlag). Dieser Band enthält erstmals auch eine umfassende Bibliografie Michels. Eine Otto-Michel-Arbeitsgemeinschaft (Internet: http://www.om-ag.de/) ist seit über vier Jahren tätig in Fragen des wissenschaftlichen Nachlasses, der beim Universitätsarchiv in Tübingen verwaltet wird. Hier werden auch die zahlreichen Vorträge, die in Tonbandaufzeichnungen vorliegen, durch Digitalisierung (auf CDs) in eine haltbare Form gebracht. Ein Michel-Gedenktag konnte am 18.10.2003 im Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen gehalten werden.
Otto Michel wurde am 28.8.1903 in Elberfeld (heute Wuppertal) als ältestes von drei Kindern eines Textilkaufmanns geboren. Dem außergewöhnlich sensiblen Kind wurde die Konfirmation zu einem sein ganzes Leben prägenden Berufungserlebnis mit zentraler Bedeutung von Psalm 73: „Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.“
Nach Studienjahren in Tübingen (z. B. Schlatter) und Halle (Gunkel, Lütgert) promovierte er 1929 bei Ernst von Dobschütz („Paulus und seine Bibel“, BzFchTh) und habilitierte sich mit einem Vortrag über die Entstehung der paulinischen Christologie.
In den beginnenden Auseinandersetzungen um den Nationalsozialismus war er zeitweise im Gemeindepfarramt in Lüdenscheid, dann aber wieder zu Lehrstuhlvertretungen in Halle. Nach seinem eigenen Zeugnis ist ihm in dieser Zeit ein enges Verhältnis zu Julius Schniewind besonders wichtig geworden. Frühe Veröffentlichungen: „Prophet und Märtyrer“ (1932), Kommentar zum Hebräerbrief (1936). Eine eigene Professur wurde ihm, wie anderen Mitgliedern der Bekennenden Kirche, in der Hitlerzeit nicht zugestanden.
1940 bis 1943 und ab 1945 durfte er eine Lehrtätigkeit in Tübingen ausüben, zunächst in Vertretung G. Kittels. 1946 erhielt er die ordentliche Professur. Eine zunächst abwartend-positive Haltung zum Programm Bultmanns hat er im Zuge der Auseinandersetzungen um Ernst Fuchs zugunsten einer eindeutigen Ablehnung aufgegeben. 1953 erschien sein „(Ein) kritisches Wort zu einem Fakultätsgutachten“, jenem Gutachten, das in der Spannung der Fakultät zu Kirche und Gemeinden die Wogen zu glätten versucht hatte. In diesen Tübinger Jahren gewann Michel das Profil, mit dem er weit über die Universität hinaus bekannt geworden ist: Hierher gehören seit 1954 Studienfahrten nach Israel, 1957 die Gründung des Institutum Judaicum und der Beginn der Arbeit an der Josephus-Ausgabe sowie 1955 der Römerbriefkommentar. Michel wurde ein entschiedener Förderer der SMD sowie der theologischen Arbeit des PGB. Von 1961 bis 1988 war er immer wieder Dozent bei den Ferienseminaren für Theologiestudenten. Von 1970 bis 1976 und 1983 bis 1991 war er Mitherausgeber der „Theologischen Beiträge“ (Zweimonatsschrift des PGB). 1968 wirkte er mit bei der Gründung des Albrecht-Bengel-Hauses in Tübingen (1970) sowie bei Initiativen der Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“. Er erhob 1988 (mit P. Beyerhaus) seine Stimme gegen eine Preisverleihung der Fakultät an den Dalai Lama. 1989 erschien seine Autobiographie „Anpassung oder Widerstand“ (Wuppertal). 1993 (28.12.) ist Otto Michel in seinem Haus auf dem Österberg in Tübingen gestorben.
Michel wuchs in die Situation nach dem 1. Weltkrieg hinein, in der die Herrschaft der Literarkritischen Schule wo nicht gebrochen, so doch überlagert wurde durch die Gattungsgeschichte und die Religionsgeschichte. Charakteristisch ist für ihn, daß er nicht einfach biblizistisch oder dogmatisch arbeitet, sondern die Methoden der kritischen Exegese ganz ernstnimmt, dann aber mit deren philosophischen Voraussetzungen brechen und über sie hinausgehen muß, da sie für ihn das der Bibel eigentümliche Reden eher verstellen als erschließen. „Ich mußte meinen eigenen Weg finden,“ betont er häufig in seinem Lebensrückblick. Der kritischen Wissenschaft des AT (Gunkel, A. Alt) traute er mehr zu als der neutestamentlichen, und er riet seinen Schülern immer zu einer Schulung des Urteils am Alten Testament, bevor sie sich mit dem Neuen beschäftigten. Jedoch: Was er bei Hermann Gunkel über die Gattungen des AT lernen konnte, das verstand er nicht nur in den Bahnen von J. G. Herder, auf den Gattungs- und Formgeschichte sich berufen, sondern tiefer noch auf der Spur Joh. Georg Hamanns, dem Königsberger erweckten Literaten (und Lehrer Herders!), der eine bloß menschliche Erklärung der Literatur (nicht nur der Bibel) nicht hätte billigen können. Daß er auf Hamann stieß, verdankt Michel dem Hallenser Systematiker Wilhelm Lütgert, und Hamanns Spuren findet er auch bei Martin Kähler, dem großen Lehrer des Hallenser Biblizismus. So hat Michel sich nicht mit den formgeschichtlichen Klassifizierungen von Dibelius und Bultmann zufriedengeben können und ständig nach Kategorien aus der jüdischen Traditionsbildung Ausschau gehalten, die ihm etwa die Eigenart der Evangelien verstehen halfen. Durch den Schweden Birger Gehardsson und z. B. durch das große Jesusbuch Rainer Riesners sind Michels Wünsche zu einem Teil realisiert worden. In den religionsgeschichtlichen Fragestellungen nahm Michel das in seiner Zeit neu aufbrechende Interesse an den Apokryphen und Pseudepigraphen auf, das auch bei J. Schniewind lebendig war. „Eschatologie“ war das Stichwort, das die Gemüter bewegte, weit über die exegetischen Fächer hinaus. Doch während die Religionsgeschichtliche Schule die Wurzeln des Neuen Testaments im hellenistischen Synkretismus suchte – bis hin zu den Gnosistheorien Bultmanns und seiner Schule –, konnte Michel die Texte des frühen Judentums mit großem Gewinn zu einem besseren Verständnis Jesu und des Urchristentums heranziehen. Besonders wichtig war Michel die Nähe des Johannesevangeliums zu täuferischen Kreisen. Dies Evangelium war für ihn „das jüdischste“ von allen vier, und seine Herleitung aus der Gnosis hat Michel entschieden bestritten, auch als er damit noch ganz alleine stand. Im ganzen sind der jüdischen Interpretation des NT große Erfolge beschieden worden durch die Entdeckung der Qumran-Schriften, die eine Sondergruppe des Judentums mit priesterlich-apokalyptischem Denken und einer entsprechenden Eschatologie greifbar werden ließen.
Die Gestalt Jesu verlor sich bei den gattungs- und traditionsgeschichtlichen Forschungen Michels keineswegs hinter einer schöpferischen Gemeinde, und auch „Jesus als Jude“ wurde nicht eingeebnet in das Judentum, in dem er aufgewachsen war. Vielmehr fragte Michel immer wieder nach dem „typisch Jesusartigen“, das ihn auch im Unterschied zu seiner Tradition auszeichnete und das bis in die Briefe des NT noch seinen Niederschlag gefunden hat. Die Nähe zu jüdischen Forschern ist für Michel immer wieder wichtig gewesen, er hat Männer wie David Flusser und Géza Vermès auch als Forscher geschätzt und von ihnen gelernt. Das Gespräch mit dem Judentum ist für ihn letztlich immer wieder ein Gespräch über Jesus den Juden gewesen, über seine Sendung und seine einmalige Vollmacht. Messianität war für Michel nicht zu trennen von der Hoffnung auf die Wiederherstellung Israels, und die Besonderheit der Messianität Jesu suchte und fand er in der Gestalt des apokalyptischen Menschensohnes mit den Themen der Erniedrigung und der Erhöhung.
Die Diskussion um Rudolf Bultmanns Programm, die sich in Tübingen ganz stark an der Person des Privatdozenten Ernst Fuchs entzündete, hatte zu einer Krise zwischen Kirchenleitung und Pietismus auf der einen und der Fakultät auf der anderen Seite geführt. Da gab es starke Töne und mindestens ein Flugblatt gegen Bultmann. Die Fakultät hatte die Kontroverse durch eine Denkschrift zu entschärfen versucht „Für und wider die Theologie Rudolf Bultmanns“, vorgetragen auf dem württembergischen Landeskirchentag am 11. März 1952 durch den Kirchengeschichtler Hanns Rückert. Darin kamen kritische Gesichtspunkte zum Entmythologisierungsprogramm zu Wort – am stärksten vielleicht dies, daß bei Bultmann kein Unterschied mehr zwischen Auferstehung als Geschehen und dem Auferstehungsglauben sichtbar werde. Im ganzen aber wurde die Auffassung vertreten, daß sich Bultmanns Programm trotz mancher Schieflage im Rahmen des kirchlichen und besonders des reformatorischen Bekenntnisses bewege, und die kirchlichen Kreise wurden um Geduld gebeten gegenüber der weiteren theologischen Entwicklung im akademischen Bereich. Auch Michel hat das Gutachten zunächst bejaht und mitgetragen, er hat die Bewerbung von Fuchs um eine Professur unterstützt, wobei sein Votum als neutestamentlicher Lehrstuhlinhaber besonderes Gewicht hatte, und sich auch den Wünschen des Landesbischofs Haug nach einer Distanzierung vom Entmythologisierungsprogramm verweigert. Diesen Konsens der Fakultät verließ Michel, indem er im Sommer 1952 seine Unterstützung für Fuchs aufgab und vor allem zu Anfang des Jahres 1953 sein „Kritisches Wort“ herausbrachte. Der Schritt hat ihn manche Sympathien gekostet. Er behielt eine Sonderstellung unter den Kollegen, ja er suchte in der Folgezeit nach Möglichkeiten des Lehrens über den Bereich der Universität hinaus.
In einem erklärenden Brief an den Dekan im Anschluß an sein „Kritisches Wort“ spricht er von einem „Weg, bei dem ich immer stärker in die Bibel hineinwuchs und sowohl hermeneutisch als auch in der Untersuchung bestimmter Denkformen über das hinauswuchs, was ich bisher zu sagen hatte.“ Was meinen die beiden Stichworte (a) „hermeneutisch“ und (b) „Untersuchung bestimmter Denkformen“ im Zusammenhang von Michels Votum gegen das Fakultätsgutachten? Das „kritische Wort“ geht in seinen beiden Hauptteilen auf beide Dinge ein:
(a) Hermeneutik: Dies Fremdwort meint immer die Frage nach der „Sache“, dem eigentlichen Inhalt, der zu uns „rüberkommen“ soll. Ich kann die Bibel auf Fakten hin lesen, ich kann sie auch auf das in einem Text zum Ausdruck kommende Verständnis von Gott und Mensch hin lesen. Ich kann sogar eine militärische Hermeneutik betreiben, indem ich – wie aus den frühen Kämpfen der Juden um ihren Staat bekannt wurde – das Alte Testament auf Geländevorteile beim Kampf befrage. In der Bibel ist ja so vielerlei da. Michel meint nun, daß im Fakultätsgutachten die reale Geschichte völlig oder fast völlig verschwindet, auf die sich der Glaube zurückbezieht, und insofern ein verkürzter Glaubensbegriff vorliegt. Von Bultmanns Freunden hatte Gerhard Ebeling das reformatorische „allein durch den Glauben“, das bei Luther in Opposition zu den Werken stand, auf die gegenwärtige Situation infrage gestellter Heilstatsachen übertragen. Michel kann diesen Glaubensbegriff nicht als reformatorisch anerkennen. „Wir sind als Glaubende an ganz bestimmte historische, historisch auch feststellbare Sachverhalte gebunden, die den uns aufgegebenen Glauben erst ermöglichen.“
(b) Bei der „Untersuchung bestimmter Denkformen“ kündigt sich Michels Überzeugung an, die in seinen späten Jahren zur programmatischen Forderung eines „hebräischen Denkens“ in der Theologie führen sollte. Sie meint: daß nicht nur Inhalte des Neuen Testaments für uns ihre Bedeutung haben, sondern auch dessen Denkformen. Gegenüber der Entmythologisierung ergibt sich für ihn eine umgekehrte Denk- und Arbeitsrichtung: Nicht heraus, sondern hinein – in die Geschichte!! Nicht heraus, sondern hinein – auch in die mythischen Denkformen! Der Mythos war für Bultmann eine illegitime Verobjektivierung von Elementen, die eigentlich nur Ausdruck des Selbstverständnisses eines Menschen sein konnten. Die Rede von Dämonen oder vom Satan als objektiven Gegebenheiten, ja von Gott, daß es ihn „gibt“, werde damit hinfällig oder mindestens als uneigentliche Redeweise hingestellt. Nein, sagt Michel: Wir müssen uns nicht von diesen Denkformen abkoppeln, sondern intensivst mit ihnen beschäftigen, da hiermit bestimmte Sachverhalte in der Bibel erfaßt werden, die uns sonst verlorengehen. Gern hat er Heb 11,6 zitiert: „Wer zu Gott kommen will, muß glauben, daß er sei und daß er denen, die ihn suchen, ein Belohner sei.“ Daß Weltbilder sich ändern, gibt er zu. Auch Apokalyptik müsse „immer wieder neu geschrieben werden“, sie werde aber nicht als Denkform entbehrlich. „Gerade die Glaubensfrage ist immer an die Wahrhheits- und Wirklichkeitsbeziehung gebunden gewesen, auch wenn mit diesem Umstand unendlich viele Schwierigkeiten verknüpft sind.“ (S. 60, im Gedenkband S. 396)
Michel ist nicht bei dem Begriff „mythisch“ geblieben, obwohl er ihn in der Auseinandersetzung zunächst aufnahm. Es ging damals ja immer wieder um die Auferstehung Jesu, die unsichtbare Welt und die konkrete endgeschichtliche Erwartung. Später tritt hier stärker der Terminus „Apokalyptik“ ein – forschungsgeschichtlich durch aus mit guten Gründen. Schließlich aber bekommt in Michels Systematik immer stärker der Begriff des „Hebräischen“ die zentrale Rolle, wenn er das Besondere des biblischen Redens beschreiben will. So kommt es bei ihm – durchaus auf der Linie eines organischen Denkens – zu Aussagen wie: „Ihr müßt selber eine Bibel werden“ oder auch „Ich bin ein Hebräer“, oder auch „Und die Apokalyptik hat doch recht“, wie Klappert Michel zitiert. Jedesmal ist ein Aneignungsprozeß gemeint, den Michel auch seinen Schülern zumutet, eine Veränderung, durch die wir selber nicht bleiben, was wir zuvor waren.
Michels Auslegung ist durchaus kritische Exegese auf der Höhe seiner Zeit. Er wußte sich nicht in der Pflicht, dogmatische oder konfessionelle Positionen zu wiederholen. Auch heilsgeschichtlichen Entwürfen gegenüber war er äußerst zurückhaltend. Neben den Exegeten der Bultmannschule war er mit Joachim Jeremias und Ethelbert Stauffer ständig im Gespräch, bezog sich aber auch auf englische und skandinavische Autoren (Hugo Odeberg!) und vor allem immer wieder auf die jüdische Forschung in Archäologie und Exegese. Die kritischen Methoden waren ihm aber auch kein Dogma, so daß sich bei ihm ein geschlossener Methodenkanon verselbständigt hätte, der die kirchliche Tradition grundsätzlich gefährdete. Vielmehr verstand er sich – wie sein Hallenser Lehrer Julius Schniewind – als biblisch-reformatorisch in dem Sinne, daß ein Achten auf die Besonderheit der biblischen Überlieferung der Kirche immer wieder Anstöße zur Erneuerung ihres Auftrages vermitteln könne. Im Unterschied zu jeder „kritizistischen“ Auslegung vermied er jede „Zwei-Felder-Wirtschaft“. Glaubensmäßiger und wissenschaftlicher Zugang bleiben letztlich auf einer gemeinsamen Ebene, wobei das Durchtragen von Spannungen und Belastungen mit in Kauf genommen wird. Er zitierte Schniewind mit dem Ausspruch: „Die Liberalen haben Diamanten gefunden, nur schade, sie hielten sie für Kieselsteine.“ Die Bibel selber legt uns Schwierigkeiten auf, die auch im wissenschaftlichen Zugang sichtbar werden. „Macht mir die Bibel nicht anders als sie ist,“ war einer seiner am meisten wiederholten Sätze, bei dem er sich regelmäßig auch auf Hamann berief. J.G. Hamann, der Königsberger Literat und Kant-Antipode (1730–1788), konnte wie kaum ein zweiter bezeugen, daß derjenige, der sich um die Bibel Mühe macht, Schritt für Schritt Gewißheit und Freude empfängt, daß sie bis ins einzelne menschlich und göttlich ist. Hier stoßen methodische Überlegungen an eine Grenze, und Michel würde sich ohne weiteres zu einer Voreingenommenheit für die Bibel bekennen, die er von seinem Gesprächspartner nicht immer erwarten kann.