Uwe Rechberger
So gut wie noch nie war das diesjährige AfeT-Doktoranden- und Habilitandenkolloquium besucht, das unter der bewährten Begleitung von Prof. Dr. Rainer Riesner am 11. und 12. März 2005 im Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen stattgefunden hat.
Mit dem Thema der Verstockung im Jesajabuch befasste sich Torsten Uhlig (Cheltenham) in seinem Vortrag „Kommunikation und Gerechtigkeit: Zur Bedeutung des Verstockungsmotivs im Jesajabuch“. Er plädierte für eine kommunikative Analyse, die die vielfältigen Dimensionen und verschiedenen Klassen sprachlicher Handlungen einbezieht. Im Blick auf die Texte, die sich auf den Verstockungsauftrag in Jes 6,9–10 beziehen und im gesamten Jesajabuch vorkommen, ergibt sich dabei eine geteilte kommunikative Strategie. Während die Texte in Jes 1–39 unter dem Vorzeichen der verstockenden Wirkung von Jesaja’s Botschaft stehen, geht es in Jes 40–66 um die Überwindung der Verstockung. Eingebunden ist das Thema der Verstockung in das zentrale Anliegen des Jesajabuches nach Wiederherstellung von Recht und Gerechtigkeit. Im Rahmen des Gerichts gegen das Volk aufgrund von dessen Fehlverhalten in Jes 1–39 fällt auch der Missbrauch des kommunikativen Handelns in Form der Verstockung auf das Volk zurück. In Jes 40–66 ist es dann Teil der Wiederherstellung von Heil und Gerechtigkeit, die Verstockung zu überwinden. In Jes 40–55 werden die Exulanten in Babylon angesprochen, wohingegen der Abschnitt Jes 56–66 an die gerichtet ist, die nach der Eroberung Jerusalems 586 v.Chr. im Heimatland geblieben sind.
Agus Santoso (Heidelberg) behandelte das Thema „Die Apokalyptik- bzw. Danielforschung und ihre Probleme“. Das gegenwärtige Interesse der Apokalyptikforschung richtet sich vor allem auf die Wurzeln der Apokalyptik sowie auf die Entstehung des Danielbuches. Zu diskutieren ist: Stammt der Autor des Danielbuches aus einer weisheitlichen (von Rad), einer prophetischen (Koch, u.a.), einer theokratischen (Steck; Kratz) oder einer eschatologischen Traditionslinie (Plöger; Hengel)? Gehörte er einer bewaffneten (Plöger) oder gewaltlosen Gruppe an (Lampe)? Ein weiterer Forschungsgegenstand bleibt die zeitliche Einordnung des Danielbuches. Die Alte Kirche verortet das Danielbuch in der Exilszeit mit Daniel als Verfasser (vgl. heute Maier). Dem gegenüber nennt schon der neuplatonische Philosoph Porphyrius († 304 nChr.), das 2. Jhd. vChr. als Entstehungszeit und bezeichnet dessen Weissagung als vaticinia ex eventu.
Dr. Friedmann Eißler, Tübingen, berichtete unter dem Titel „ … wie ein Mann mit seinem Freunde – Offenbarung und Offenbarungsvermittlung an Mose in der biblischen und der koranischen Überlieferung“ über sein Habilitationsprojekt und stellte dabei in einem ersten Teil einen zentralen inhaltlichen Aspekt vor, das Offenbarungsverhältnis zwischen Gott und Mensch anhand der Gestalt des Mose/Mûsâ in Ex 3 und Sure 20. Die koranische Präsentation Moses als Kalîm Allâh, als „desjenigen, mit dem Gott gesprochen hat“ – und zwar direkt, ohne Vermittlung, wohingegen Muhammad Offenbarung durch den Engel Gabriel erhält –, sowie ihre spätere Verarbeitung in der islamischen Überlieferung fordert geradezu zum Vergleich mit den entsprechenden biblischen Bezügen auf, wodurch Kontinuität wie auch Diskontinuität, positive Bezugnahme ebenso wie relativierende Distanzierung thematisiert werden. Eben die komparative Perspektive wurde dann in einem zweiten, die Methodik betreffenden Teil unter dem Stichwort „Religionsvergleich?“ vor dem Hintergrund der aktuellen religionswissenschaftlichen Debatte problematisiert. Die Frage, wo und mit welchen Kriterien man sich auf der Abstraktionsskala zwischen historisierender, dekonstruktivistischer Fragmentierung einerseits und dialogpragmatisch wesentliche Unterschiede relativierender „Einheitsschau“ (abrahamische Ökumene, Soteriozentrik …) andererseits verorten bzw. theologisch verantwortet positionieren kann, führte dann auch in der Runde zu einer lebhaften Diskussion.
Stefanie Pfister stellte ihre „Empirische und theologische Untersuchung der Gemeinden messianischer Juden in Deutschland“ vor und zeigte zunächst auf, dass „messianische Juden“ im Gegensatz zu den „hebräischen Christen“ besonders ihre jüdische Identität z.B. durch das Feiern der biblischen jüdischen Feste betonen und dass sie sich in Deutschland seit Anfang der 1990er in eigenen Gemeinden oder Hauskreisen versammeln. Obwohl die „russisch“-jüdischen Zuwanderer erst ihr jüdisches Erbe entdecken müssen, hat sich schon ein eigenes Selbstverständnis der Bewegung herausbilden können, welches z.B. in dreizehn messianisch-jüdischen Glaubensartikeln und in der „Ölbaumtheologie“ (Rö 11) deutlich wird. Das messianische Judentum sieht sich demnach als die Fortsetzung des biblischen, rechtmäßigen Judentums und als „Überrest“, welcher zusammen mit den gläubigen Heidenchristen jetzt schon Anteil an der Heilsgemeinde, dem wahren Israel hat. In der triangulär angelegten Studie auf der Grundlage der „Grounded Theory“ soll neben einer Bestandsaufnahme der Gemeinden in Deutschland (standardisierter Fragebogen) dieses schriftlich formulierte Selbsverständnis mit dem faktischen (z.B. im Gottesdienst und im Gemeindeleben) und mit dem persönlichen Selbstverständnis der Gemeindebesucher (durch Interviews) untersucht und verglichen werden.
Chronologischer Mittelpunkt und gemeinschaftlicher Höhepunkt des Kolloquiums bildete – wie schon in den vergangenen Jahren – der gemeinsame Abend bei Familie Riesner. Last but not least bleibt mir, die herzliche Einladung zum nächsten Doktoranden- und Habilitandenkolloquium auszusprechen, das am 17. und 18. März 2006 wieder im Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen stattfindet.