Armin D. Baum
Am 14. Dezember 2004 ist völlig unerwartet im Alter von nur 52 Jahren Prof. Carsten Peter Thiede verstorben. Er war kein offizielles Mitglied des AfeT, hat jedoch mit rund 35 Rezensionen zu dessen Jahrbuch beigetragen und sich mehrfach aktiv an den Treffen der neutestamentlichen Facharbeitsgruppe beteiligt.
Thiedes Begabungen und Interessen erstreckten sich auf viele geisteswissenschaftliche Gebiete. Als Literaturwissenschaftler befasste er sich besonders mit Reinhold Schneider. Zu dessen Werk gab er bereits 1980 ein Suhrkamp-Taschenbuch heraus und war bis zu seinem Tod Präsident der 1970 gegründeten Reinhold Schneider-Gesellschaft. Darüber hinaus betreute er beim Brockhaus-Verlag die sieben Bände der Reihe „Christlicher Glaube und Literatur“.
Thiedes historisches Interesse galt vor allem dem Neuen Testament (Petrusforschung) und seiner Umwelt. In die Qumranforschung schaltete er sich als Vertreter der umstrittenen These ein, 7Q5 sei ein Fragment des Markusevangeliums (1986). Den Papyrus 64 des Matthäusevangeliums (um 200 n.Chr.) datierte er in die Zeit vor 70 n.Chr. (1996). Es ist kein Geheimnis, dass Thiede mit diesen Thesen, trotz freundschaftlicher Verbundenheit, auch in der Facharbeitsgruppe NT des AfeT auf Zurückhaltung stieß. Breite evangelikale Zustimmung fand dagegen seine historische Verteidigung der Auferstehung Jesu in einem 2001 veröffentlichten Streitgespräch mit dem Göttinger Neutestamentler Gerd Lüdemann.
Thiede lehrte an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule (STH) in Basel sowie an der Universität in Beer Sheva (Israel) und war neben seiner ausgedehnten literarischen Tätigkeit als anglikanischer Militärkaplan der britischen Streitkräfte in Paderborn tätig. Seine Bücher erschienen nicht nur bei Brockhaus, Brunnen und im Kreuz-Verlag, sondern auch bei Ullstein und Luchterhand und wurden in viele Sprachen übersetzt. Thiedes größte und einzigartige Begabung bestand darin, immer wieder mittels verschiedenster Medien in brillanter Weise christliche und speziell bibelwissenschaftliche Themen in eine breite Öffentlichkeit zu tragen. Er war einer der wenigen evangelikalen Theologen Deutschlands, deren Arbeit häufiger in Hörfunk, Fernsehen und Presse zur Kenntnis genommen wurde. Sein früher Tod ist ein schmerzlicher Verlust.