Von Königen, Geschichtsschreibung und dem „Tag JHWHs“

Siebtes Seminar der FAGAT vom 7.-9. März 1999

Herbert H. Klement

Mit vierundzwanzig Teilnehmern war das diesjährige Seminar der alttestamentlichen Facharbeitsgruppe im AfeT das bisher am besten besuchte (zwölf 1997; vierzehn 1998). Die erfreuliche Tendenz ist zum einen wohl darauf zurückzuführen, dass sich der hohe Wert der Seminare allmählich herumspricht. Besonders die Kombination von fachlicher Qualität der Referate und geistlicher Ausrichtung der Tagung wurde von den Teilnehmern auch in diesem Jahr als in dieser Form einzigartig vermerkt. Außerdem waren eine Reihe von Studenten, die sich auf eine alttestamentliche Dissertation in den Niederlanden und in Belgien vorbereiten, erstmalig dabei. Die Internationale Ausrichtung war jetzt im dritten Jahr auch durch Teilnehmer aus Dänemark bereichert.

Der ursprüngliche Plan, den inhaltlichen Schwerpunkt des Seminars vor der Jahrtausendwende auf eschatologische Themen zu legen, ließ sich bis auf das Einleitungsreferat zum „Tag JHWHs“ nicht verwirklichen. Darin wertete Winfried Meißner, Dozent am Theol. Seminar in Bad Liebenzell, Ergebnisse aus der Arbeit an einem Joel-Kommentar aus (demnächst in der Reihe Edition C, Hänssler-Verlag). Er variierte die von Meir Weiss vorgetragene These zu Ursprung und Rezeption des Begriffs insofern, als nach ihm der Ausdruck „Tag JHWHs“ wohl erstmalig bei Obadja im 9./8. Jhd. vorkomme (Ob. 15) und sich dort auf ein Handeln JHWHs gegen die Heiden beziehe. Von dessen Gebrauch erschließe sich die Aufnahme und Weiterführung des Begriffs bei Amos und Joel. Deren Verwendung wiederum, wie Weiss beschrieben hatte, Einfluss auf die Verkündigung bei den anderen Propheten ausgeübt hätte (Jesaja, Zefania, Hesekiel, Jeremia, Maleachi). Die konkrete Bedeutung sei jedoch jeweils aus dem Kontext zu erschließen, wobei ein zeitgeschichtlicher und ein endgeschichtlicher Gebrauch zu unterscheiden sei. Letzterer läge u.a. vor, wenn in Zusammenhang mit dem Tag JHWHs von unvergleichlichen und unüberbietbaren Begleiterscheinungen die Rede sei, seine Auswirkungen universal seien, er mit dem Erscheinen Gottes bzw. des Messias verknüpft sei (Joe. 2,2; 4,11.16; Sach. 12,10; 14,5; Mal. 3,2.24) oder kosmische Veränderungen bewirke (Jes. 2,12ff; 65,17; 66,22).

fachliche Qualität und geistliche Ausrichtung...

Der Montag stand unter historischer Thematik. In die immer noch laufende Diskussion um die Interpretation der altaramäischen Steleninschrift von Tel Dan mit der wahrscheinlich ältesten außerbiblischen Erwähnung des Davidshauses schaltete sich das Referat von Drs. Michael Malessa von der Universität Leiden (NL) ein. Es konzentrierte sich auf drei Punkte: a) die Frage der Beziehung zu 2Reg 9-10 (unterschiedliche Darstellung des Rolle Hasaels von Damaskus); b) religionshistorische Aspekte (Rolle der Gottheit bei der Ernennung des Königs bzw. bei der Kriegsführung); c) sprachliche Überlegungen zu den Tempora im Nordwestsemitischen. Zu letzterem stellte Malessa fest: „Es kann festgehalten werden, dass das hebräische wayyiqtol wie die entsprechende aramäische Verbform auf die nordwestsemitische präteriale PKKF zurückgehen. Die besondere Gestalt der Konjunktion im hebr. wayyiqtol ist akzidentiell und nicht substantiell. Angesichts dessen ist es erforderlich, die Unterscheidung von ‚normalen‘ und ‚inversen‘ Tempora aufzugeben.“

Am Nachmittag referierte Jens Bruun Kofoed, Dozent für AT an der Copenhagen Lutheran School of Theology aus Dänemark über die methodischen und epistemologischen Grundlagen der sog. „Kopenhagener Schule“. Dabei konzentrierte er sich auf das umfangreiche Oevre von Thomas L. Thompsen, der zur historischen Rekonstruktion der Geschichte Israels alle schriftlichen Quellen als „Traditionen“ und damit ideologieverdächtig außer acht läßt. Um „Historie“ zu schreiben, seien nur archäologische Realia, geographische Gegebenheiten, auch solche, die mit Klimaveränderungen zu tun haben zu berücksichtigen. Die Annahme Thompsens, dass die biblische Darstellung das Konstrukt einer jüdisch-hellenistischen Gruppe des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts sei, erweist sich nach Kofoed als Zirkelschluss, die Problematik der enthaltenen Denkvoraussetzungen wurde transparent. Kofoed, der seine Arbeiten über die Kopenhagener Schule bei Thompson selbst begonnen hatte, wird sie bei Allan Millard in Liverpool fortsetzten.

...beim bislang teilnehmerstärksten FAGAT-Seminar

Über „Fact, Fiction and Language Use: The Pragmatic Evidence from Judges“ referierte am Abend Dr. Nicolai Winther-Nielsen, Alttestamentler an der Gemeindefakultät in Aarhus, Dänemark. Er ging dabei von der insbesondere in der englischsprachigen Welt mittlerweile fast dominierenden literaturwissenschaftlichen Interpretation biblischer Texte aus, in deren Folge diese oft in die Kategorie Fiktion, romanhafte Erzählung eingeordnet werden. Dabei seien jedoch pragmatische Überlegungen (Studium des intentionalen und kontextualen Sprachgebrauchs) selten oder nie mit einbezogen worden. Wäre das geschehen, dann wäre die Genre-Zuweisung fiction wohl mit weniger Überzeugung oder gar nicht erfolgt. Obwohl letztlich keine zwingende Beweisführung möglich sei, führten pragmatische Überlegungen dazu, die Texte eher Kategorien zuzuordnen, die normaler Alltagskommunikation entsprechen, als literarischer Fiktion. Alltagsgespräche tendieren zu einer direkten Entsprechung von Gesagtem und Gemeintem, dies träfe auch für die Texte zu, wie sie etwa im Richterbuch zu finden sind.

Im Schlußreferat ging es um Überlegungen zu einer Makro-Strukturierung des Königebuches. Studienleiter Hartmut Schmid vom Bengelhaus in Tübingen erkennt einen fünfteiligen Aufbau, Anfang (1Kg. 1-11) und Ende (2Kö 18-15) konzentrierten sich auf das Davidshaus, den JHWH-Tempel in Jerusalem und den Stamm Juda, das Zentrum des Buches mit den Elia-Elisa-Texten (1Kg. 16,29 - 2Kg. 10) fokussierte die Situation im Nordreich Israel, den Bau des Baalstempels und dessen Kult und die prophetische Entscheidungssituation. In den Abschnitten dazwischen seien die beiden getrennten Königreiche parallel dargestellt (1Kg. 12-16,28; 2Kg. 11-17). Das hier zu beobachtenden Prinzip eines chiastischen Aufbaus ließe sich auch in dem ersten Abschnitt (1Kg. 1-11) und in Einzeleinheiten wie z.B. dem Tempelbaubericht wiederfinden (1Kg. 6 und 8).

Die breite Vielfalt der behandelten Themen hat sich aus dem Ansatz der Facharbeitsgruppe ergeben, dass die Teilnehmer jeweils Ergebnisse aus der eigenen aktuellen Forschung vortragen und diskutieren lassen. Selbst wenn dabei Dinge angesprochen werden, die der eine oder andere selbst bisher wenig beachtet hatte, so ist gerade dies eine Stärke des Seminars, insofern es neue Horizonte zur Arbeit aufzustoßen vermochte und dadurch zu eigener Arbeit ermutigte. Dass dieses Ziel erreicht wurde, zeigt sich auch daran, dass die Termine gleich für die nächsten zwei Jahre festgelegt wurden.

FAGAT-Seminar am 27.02 (18.00).-19.02.2000 (14.00) in Haus Friede, Hattingen.

Der Termin für das darauf folgende Jahr ist: 04.3.-06.03.2001

Kontakt:
Dr. H.H. Klement,
Kleinbeckstr. 32e,
D-45549 Sprockhövel.

aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen - ETM 5/1 (1999)
Herausgeber: AfeT - Arbeitskreis für evangelikale Theologie


23.12.1999
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