Helmut Burkhardt
Theologie und Leben – das sind in unserem Wertempfinden zwei sehr unterschiedlich besetzte Begriffe. Leben – das wollen wir selbstverständlich alle. Aber Theologie... muss das wirklich sein?
Fünf Jahre Studium an der Universität oder an einem Theologischen Seminar – das bedeuten fünf Jahre für die Theologie. Und mancher in der Gemeinde, der den Weg eines Theologiestudenten mitverfolgte, mag sich fragen, ob das nicht vier für das Leben verlorene Jahre waren? Gut, dass sie vorbei sind. Jetzt kann das Leben endlich wieder losgehen!?
Solche Gedanken sind von mancherlei Erfahrung her wohl verständlich. Denn Theologie und Leben scheinen tatsächlich oft sehr weit auseinander zu fallen. Es gibt Theologie, die sich vom konkreten, alltäglichen Leben absondert und in den Elfenbeinturm reiner Theorie zurückzieht, die deshalb auch für das praktische Leben nicht nur der Christen, sondern der Menschen überhaupt wirkungslos und damit nutzlos bleibt. Man könnte deshalb versucht sein zu sagen: Lasst uns doch am besten auf das anscheinend Überflüssige ganz verzichten – und schon gar darauf, ihm fünf kostbare Lebensjahre zu opfern!
Aber das Problem ist leider, dass das – gar nicht geht! Wir können gar nicht, selbst wenn wir es wollten, auf Theologie verzichten!
Denn – was ist Theologie eigentlich? Theologie ist Nachdenken über Gott und entsprechendes Reden von Gott. Nachdenken über Gott aber ist etwas, das jeder von uns ganz unvermeidlich tut. Sogar der Nichtchrist kommt letztenendes nicht darum herum. Auch er macht sich seine – vermutlich vor allem kritischen – Gedanken über Gott. Der Christ aber allemal. Und so kann man zugespitzt geradezu sagen: Theologie ist nicht nur mehr oder weniger nützlich (oder auch entbehrlich) für unser Leben, sie ist unvermeidlich Teil unseres Lebens – und insofern selber Leben!
Zugegeben: sie ist nur ein Teil unseres Lebens. Wie ja das Denken überhaupt Teil unseres geistigen Lebens ist, neben Wollen und Fühlen. Unser geistiges Leben aber ist wiederum Teil unseres ganzen leiblichen Lebens. Nur ein Teil – aber nun doch auch wirklich und unvermeidlich Teil unseres Lebens. Zu menschlichem Leben gehört es nun einmal unausweichlich, dass wir denkende Wesen sind. Wir sind es sicher in einem sehr unterschiedlichen Maße – und doch sind wir es alle, ohne Ausnahme. >
Deshalb also hat auch jeder seine Theologie. Was für eine Theologie – das ist allerdings wieder eine ganz andere Frage!
Dass es eine für das Leben mit Gott jetzt und in Ewigkeit gute, hilfreiche Theologie sei, für uns selbst und dann auch hoffentlich noch viele andere Menschen, dazu dienen die Jahre des Studiums. Und zwar nicht als etwas Einmaliges, Isoliertes innerhalb des Lebens eines Theologen. Sondern sie sind sozusagen eine Intensivphase eines schon lange vorher begonnenen und nachher mit Sicherheit weiter gehenden Lebensprozesses: im immer neuen Aufmerken auf das, was die von Gott selbst bevollmächtigten biblischen Zeugen von Gottes Wahrheit sagen und was deshalb Grund und Maß unseres Lebens mit Gott und all unseres Denkens und Redens von Gott ist.
Noch einmal: Theologie ist Leben, Teil unseres Lebens. Dass allerdings von diesem Teil aus unser ganzes Leben von Gott her geprägt wird, ist alles andere als selbstverständlich. Wir brauchen rechte Erkenntnis Gottes und seines Willens zur Orientierung für unser Leben. Aber das beste Kopfwissen garantiert noch keineswegs automatisch auch das entsprechende Handeln und Leben. Ja, es kann sogar etwas der Absicht des Evangeliums Entgegengesetztes bewirken: „Erkenntnis bläht auf“, sagt der Apostel Paulus (1.Korinther 8,1). Nur Gott selbst kann, durch seinen heiligen Geist, unser Denken und Leben erneuern zu einer wirkkräftigen Einheit in seinem Sinn, sodass aus der Erkenntnis „aufbauende Liebe“ entsteht. Deshalb müssen wir immer wieder, auch bei der besten und richtigsten theologischen Erkenntnis, beten, wie einst Martin Kähler betete:
„Hilf aus den Gedanken
ins Leben hinein,
ganz ohne Wanken
dein eigen zu sein.“
aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen - ETM 6/2 (2000) Herausgeber: AfeT - Arbeitskreis für evangelikale Theologie |
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19.11.2000 |