Nach dem üblichen zweijährigen Abstand fand in diesem Jahr wieder eine AfeT-Studienkonferenz statt. Vom 10.-12.09.2023 kamen circa 45 Mitglieder und Freunde des Arbeitskreises für evangelikale Theologie zusammen, um über das Thema „Hirte, Leiter, Manager – Theologische Perspektiven auf Führungsverantwortung in Kirche und Gemeinde“ nachzudenken.
Die Konferenz fand im Tagungszentrum Karimu in Burbach-Holzhausen statt. Dieser Ort hat bei wunderbarem Wetter, in ruhiger Lage, mit seiner großartigen Atmosphäre, gutem Essen und perfekten Bedingungen für eine solche Tagung gepunktet. So konnten in den Pausen und am Abend sowohl draußen als auch drinnen Gespräche entstehen und der nahegelegene Wald wurde für Spaziergänge genutzt. Die Tagung von Sonntagabend bis Dienstagmittag war mit sechs Vorträgen zum Thema sowie weiteren Veranstaltungen gefüllt.
Begonnen haben wir nach dem Abendessen mit der Tagungseröffnung durch den Vorsitzenden Prof. Dr. Christoph Raedel. Dieser stieß erste Gedanken zum Thema an und stellte unter anderem die Frage in den Raum, ob wir nicht alle am Ende unter der Führung Gottes stehen und neu lernen müssten, mit dem Geführt-werden einerseits und dem Führen andererseits umzugehen.
Anschließend folgte der erste Vortrag von Prof. Dr. Andrew Clark aus Aberdeen, der zu dem Thema „Small Communities – Defining Contexts for Understanding Pauline Church Leadership“ referierte. Er lenkte unseren Blick auf die Bedeutung von Kleingruppen und wie in diesen ein Gespräch beim Essen um einen gemeinsamen Tisch herum entstehen kann. Derartige Gruppendynamiken sähe man schon in der Bibel und sie sollten auch heute noch gelebt werden, sodass Christen wieder sprachfähig werden und nicht nur am Sonntag auf die Predigt hören. Die Frage, wie derartige Strukturen in Gemeinden integriert werden können, wurde in den Abendgesprächen aufgenommen und diskutiert.
Der Montagmorgen begann mit einer Bibelarbeit von Prof. Dr. Roland Gebauer, der uns mit in Matthäus 15,29-39 (Jesus heilt viele Menschen und die Speisung der 4.000) hineinnahm. Jesus tritt einerseits als großer Hirte auf, der die Kranken heilt und 4.000 Menschen sättigt und anderseits seine Jünger in die Verantwortung nimmt und sie an seinem Auftrag teilhaben lässt.
Im zweiten Vortrag stellte uns am Montagvormittag Pfarrer Dr. Martin Abraham in die den „Leitungsdienst in landeskirchlich-lutherischer Perspektive“ vor. Konkret sprach er zur ekklesiologischen Grundlegung und pastoralen Erfahrungen. Er gab uns einen Einblick in die vielfältigen Leitungsfunktionen, die ein Pfarrer übernimmt. Hierbei steht der Pfarrer vor der Herausforderung, stets als Pfarrer gesehen zu werden, was im Amt zu einer Komplexität zwischen Beziehungsorientierung und Funktionalität führt. Abraham betonte, dass Leitungspersonen einen dienenden Charakter haben sollten und dass gute Theologie „wenige Zentimeter über dem Erdboden“ beginne.
Prof. Dr. Markus Iff von der Theologischen Hochschule Ewersbach lenkte danach den Blick auf die Freikirchen und thematisierte unter konkreter Berücksichtigung des Bundes Freier evangelischer Gemeinden das Thema: „Pastoraler Dienst und Leitungsverantwortung – systematisch-theologische Bestimmungen aus freikirchlicher Sicht“. Der Leiter sei berufen, ein Diener des Wortes Gottes zu sein, der empfängt und zugleich wirksam ist. Leitung in Freikirchen solle sich durch funktionale Autorität zeigen, die kooperativ und partizipativ arbeite und dem Heiligen Geist Raum für sein Wirken gebe.
Im Anschluss an das Mittagessen fand die Mitgliederversammlung des AfeT statt, in der Vorsitzender und Kassiererin auf die vergangenen zwei Jahre zurückblickten und Vorstandswahlen stattfanden. Am Nachmittag trafen sich dann die verschiedenen Facharbeitsgruppen, in denen Interessierte über die Arbeitsweise informiert wurden, aber auch die Möglichkeit bestand, sich gegenseitig besser kennenzulernen und über aktuelle Anliegen und Arbeiten auszutauschen.
Am Nachmittag hat Rahel Siebald, M.A., die in Aberdeen an ihrer Dissertation arbeitet, das Thema der Tagung in einen geschichtlichen Kontext unter dem Titel „Die Revolution der Manager oder eine vergessene Geschichte der Leiterschaft – Eine Spurensuche“ gestellt. Sie regte durch ihren Vortrag zahlreiche Gespräche über die Frage an, inwiefern Gemeinden Konzepte und Methoden aus der säkularen Welt übernehmen sollten. Auch dort kommt es immer mehr zu dem Versuch, nicht nur die Arbeitskraft der Menschen zu nutzen, sondern Menschen in Unternehmen zu holen, indem man sie an Visionen teilhaben lässt und ihr Herz gewinnt. Es zählen nicht mehr nur rationale Beweggründe, sondern auch Gefühle spielen eine immer größere Rolle, wenn es um gute Führungskräfte geht.
Am Abend erläuterte Uwe Bertelmann die aktuelle Situation der TVG-Verlage SCM und Brunnen und stellte die theologischen Neuerscheinungen vor. Anschließend berichteten die vertretenen Ausbildungsstätten von aktuellen Entwicklungen, die wir in Dank und Gebet aufnahmen. Der Abend schloss mit einem offenen Ende und vielen Gesprächen.
Der Dienstag begann erneut mit einer Bibelarbeit über den Text aus Matthäus 16,1-12 (Zeichenforderung der Pharisäer und der Sauerteig der Pharisäer). Hierbei verbanden sich die beiden Texte durch den Bezug zu den Sadduzäern und Pharisäern. Die Jünger werden von Jesus vor ihnen gewarnt und lernen, dass sie sich in ihren Leitungsfunktionen eng an Jesus halten müssen, damit sie nicht durch Irrlehren vom Weg abkommen.
Am Vormittag hielten Prof. Dr. Philipp Bartholomä und Prof. Dr. Carsten Ziegert von der Freien Theologischen Hochschule Gießen einen Vortrag zum Thema „Zwischen Führungsschwäche und Führungsdominanz: Pastoral-theologische Erwägungen anhand der biblischen Hirtenmetapher“. In diesem interdisziplinären Vortrag (AT und PT) wurde zu Beginn die Spannung geschildert, in die ein pastoraler Leiter hineingestellt ist, da einerseits Führungsstärke und andererseits Fürsorge gesucht werden. Wie diese Eigenschaften nicht im Widerspruch stehen müssen, zeigte Carsten Ziegert anhand der Hirtenmetapher im Alten und Neuen Testament. Diese Untersuchung führte in den pastoraltheologischen Schlussfolgerungen von Philipp Bartholomä zu dem Ergebnis, dass die Hirtenmetapher neu die Grundmetapher für theonom verstandene Leiterschaft sein sollte.
Der letzte Vortrag „Wie integrieren wir Spiritualität in Entscheidungsprozesse? Fallstudien von Heilsarmee und Wycliff“ wurde von Angelika Marsch und Prof. Dr. Volker Kessler gehalten. Ganz praktisch führten sie aus, wie unterschiedlich bei Entscheidungen vorgegangen werden kann und was wir von Ignatius von Loyola, der Heilsarmee und Wycliff lernen können.
Zum Abschluss der Tagung spannte Christoph Raedel den Bogen noch einmal zum Beginn der Tagung und bedankte sich für die zahlreichen Vorträge und Denkanstöße aus den verschiedenen theologischen Fachbereichen und praktischen Anwendungsfeldern. Die Tagung war in vielerlei Hinsicht eine gesegnete Zeit mit ertragreichen Vorträgen, tiefen Gespräche und zahlreichen Denkanstößen. Die Teilnehmer konnten Beziehungen knüpfen und vertiefen, hatten Freude an Gott und aneinander.
Jana Lisa Lenhard und Micha Piertzik