Vom 23. zum 24. Februar trafen sich im Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen erneut Nachwuchswissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen und regionaler Herkunft zum AfeT Doktoranden- und Habilitandenkolloquium 2018. Neben dem persönlichen Austausch standen dabei vier aktuelle Forschungsprojekte im Vordergrund.
Zum Auftakt berichtete Dr. Jörg Breitschwerdt von seiner bereits abgeschlossenen Dissertation über die „Fundierung und Formierung theologisch konservativer Gruppierungen in Württemberg und Westfalen bis zum „evangelikalen Protest“ im 20. Jahrhundert.“ Im Fokus seiner Präsentation standen die terminologischen Schwierigkeiten, die in gegenwärtigen Auseinandersetzungen mit evangelikalen Strömungen immer wieder auftauchen. Breitschwerdt beschreibt das Phänomen evangelikaler Bewegungen, das in der Forschung oft von einem ‚negativen‘, ‚rückschrittlichen‘ Bild bestimmt ist, als Ausprägung eines „theologischen Konservativismus“, der seine größte Entfaltung im 20. Jh. finde, seine Wurzeln aber schon sehr viel früher habe und sich von einer sog. „modernen Theologie“ abzusetzen suche. Während in der Forschung diese Absetzung häufig als ‚fortschrittsfeindliche’ Abwehrreaktionen verstanden wird, interessiert sich Breitschwerdt mit seiner Dissertation dafür, wie genau diese konservativen Reaktionen tatsächlich aussahen und welche (positiven) Beweggründe die Betroffenen dazu veranlasst haben. Ganz nebenbei haben wir dabei sehr viel über die Wurzeln des AfeT und des Albrecht-Bengel-Hauses gelernt.
Daran schloss sich die Vorstellung des Dissertationsprojekts von Andreas-Christian Heidel über die Frage nach dem jüdisch-christlichen Verhältnis und des Israelbezuges der Kirche aus der Perspektive des Hebräerbriefes. Heidel richtet seinen Fokus auf den forschungsgeschichtlich noch nicht umfassend wahrgenommenen eschatologischen Heilsplan Gottes in Hebr 11,39f. Wesentliche Grundlage für diese Überlegungen sei der im Hebr entfaltete Glaubensbegriff, den Hebr als Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch verstehe und der entscheidend für den eschatologischen Eintritt des Menschen in die ungetrübte Gottesgemeinschaft sei. Von diesem Glaubensbegriff her verstehe Hebr alle Glaubenden als das religiöse und ethnische Zugehörigkeit übersteigende eine Gottesvolk, dessen Vollendung aber unauflöslich an das Heilswerk Gottes im Sohn gebunden sei. Von da aus lasse sich nun weiter fragen, wie genau Hebr die Vereinigung aller dieser „Glaubenszeugen“ im Eschaton verstehe. Daran Anknüpfend soll auch nach Schlussfolgerungen für den sog. jüdisch-christlichen Dialog in der Gegenwart gefragt werden.
Am Samstag kamen wir dann über das geplante Dissertationsvorhaben von Simon Blatz über die politische Ethik Helmut Thielickes ins Gespräch. Blatz sucht mit diesem Forschungsvorhaben nach einer Antwort auf die für Kirche und Theologie unumgängliche Frage, was „theologisch angemessenes staatliches Handeln“ sei. Dazu will er die wissenschaftlich bisher kaum erschlossene Konzeption Thielickes auf eben diese Frage hin untersuchen und sie mit gegenwärtigen Ansätzen ins Gespräch bringen. Da Thielicke ein profilierter lutherischer Vertreter, in Aufnahme Luthers Zwei-Regimenter-Lehre, war, sieht Blatz durch die Konfrontation mit Konzepten anderer konfessioneller Traditionen sowie mit modernen Ansätzen aus dem angelsächsischen und nordamerikanischen Raum, großes Potential für wesentliche Impulse für die gegenwärtige gesellschaftliche, ökumenische und internationale Diskussion in der Frage, ob und wie sich Kirche politisch äußern soll.
Die zwei Tage waren für alle Teilnehmer eine Zeit voller neuer Eindrücke, geistiger und geistlicher Anregungen sowie des geschwisterlichen Austausches. Wir danken Herrn Prof. Rainer Riesner auch in diesem Jahr für seine fachliche und persönliche Beratung und blicken schon jetzt mit Freude auf das nächste Treffen.
Andreas-Christian Heidel